Donnerstag, Oktober 12, 2006

reality check und 303-dollar-placebo

Die Realität holt einen oft schneller ein als erwartet. Aber es konnte auch nicht immer so weitergehen. Andererseits, wieso eigentlich nicht. Bisher war das Auslandssemester wie eine angenehme Mischung aus ZEIT-Kultur-Leserreise und Klassenfahrt zum Ballermann. Es kam mir vor als würde die Sonne ständig scheinen, alle waren gut gelaunt, Schlaf erschien mehr als überflüssig, und die paar Vorlesungen konnten den Urlaubsalltag auch nicht ernsthaft gefährden.
Die harte Landung auf dem Boden der Tatsachen kam am Samstag. Es fing schon mit dem Wetter an. Aus den bisschen-zu-warmen-27°C wurden plötzlich hilfe-wo-ist-mein-Pulli-Temperaturen, und es hat geregnet (sehr seltene Sache in Peking). Außerdem hatten sich jede Menge unbearbeitete Assignments auf meinem Schreibtisch angesammelt während ich in den Wochen zuvor die Hälfte meiner Zeit in Nachtclubs und die andere Hälfte verkatert im Bett verbracht hatte. Im Kulturschock-Zyklus war ich sowieso schon in der Überdrussphase angelangt und zu allem kam noch hinzu, dass ich krank wurde. Kopfschmerzen, Schwindel, Fieber.
Am Dienstag entschied ich mich, die Selbstmedikation mit den homöopathischen Mitteln, die mir meine Mutter für die Reise eingepackt hat, aufzugeben und zum Arzt zu gehen. Da ich nicht mit traditionellen chinesischen Kräutermischern oder buddhistischen Gesundbetern herumexperimentieren wollte, fuhr ich ins International Medical Center. Dort bescheinigte mir Dr. Sun beste Gesundheit, Blutwerte perfekt, Leberwerte zu meinem Erstaunen auch im grünen Bereich. Wahrscheinlich müsse ich mich noch an die Umweltbedingungen gewöhnen. Am Empfang musste ich noch 303 Dollar bezahlen, aber es hat gewirkt. Als ich durch die Tür ging, fühlte ich mich schlagartig besser. The show can go on!

3 Kommentare:

Daniel hat gesagt…

Ich hoffe doch, der ADAC bezahlt die Rechnung...

Anonym hat gesagt…

Ein Foto von Dr. Sun wäre jetzt noch ganz schön gewesen. Eines, auf dem er sich gerade deine Dollars in die Kitteltasche steckt... ;-)

Anonym hat gesagt…

Ein Foto von Dr. Sun hätte ich auch gern mal gesehen. War vor Jahren ebenfalls in der Pekinger Klinik und wurde von einem gewissen Dr. Shine behandelt. Der erzählte damals beiläufig von einer Reggae-Band, in der sie beide nach Abkassieren der Patienten zu musizieren pflegten. Sollen später mit einem Stück sogar ziemlich erfolgreich geworden sein.